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BGH 17.09.2008, XII ZR 72/06

 

Auch im Mangelfall: Eltern müssen Splittingvorteil aus neuer Ehe für Kindesunterhalt einsetzen

Der nach dem neuen Unterhaltsrecht geltende Vorrang des Unterhalts minderjähriger Kinder gegenüber Ehegatten gilt für das gesamte verfügbare Einkommen des Unterhaltspflichtigen und schließt daher grundsätzlich auch den Splittingvorteil aus dessen neuer Ehe ein. Das gilt selbst dann, wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht ausreicht, um alle Unterhaltsansprüche vollständig zu erfüllen (Mangelfall).

Der Sachverhalt:
Bei den Klägern handelt es sich um die geschiedene Ehefrau des Beklagten und den drei aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kindern. Da das Einkommen des Beklagten für den Unterhalt aller Berechtigten nicht ausreichte, hatte das Familiengericht Unterhaltsbeträge für die Kinder unterhalb des Existenzminimums festgesetzt, und zwar 58 Euro für das älteste Kind und 49 Euro beziehungsweise 41 Euro für die beiden jüngeren Kinder.

Nachdem der Beklagte erneut geheiratet hatte, verlangten die Kläger eine Erhöhung des Unterhalts, unter anderem weil der Beklagte aus der neuen Ehe einen Splittingvorteil in Höhe von 250 Euro erziele. Der Beklagte begehrte seinerseits den vollständigen Wegfall des Unterhalts. Er machte geltend, dass der Splittingvorteil der neuen Ehe vorbehalten sei. Im Übrigen sei er durch einen Arbeitsplatzwechsel und den Umzug zu seiner jetzigen Ehefrau nicht mehr leistungsfähig.

Das AG ordnete den vollständigen Wegfall des Unterhalts an. Das OLG verringerte den Unterhalt auf 20 Euro pro Kind, berücksichtigte dabei das Einkommen des Beklagten allerdings nur in der Höhe, wie es sich ohne Splittingvorteil ergeben würde. Dem folgte der BGH nicht.

Die Gründe:
Das OLG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Splittingvorteil des Beklagten beim Unterhalt für seine Kinder aus erster Ehe nicht zu berücksichtigen ist. Der Unterhaltsbedarf von Kindern ist unter Berücksichtigung des gesamten Einkommens seines Vaters einschließlich des in der neuen Ehe erzielten Splittingvorteils zu ermitteln. Das gilt auch in einem Mangelfall, wenn der aus der Wiederverheiratung stammende Splittingvorteil vollständig für den vorrangigen Kindesunterhalt verbraucht wird.

Nach der zum 01.01.2008 in Kraft getretenen Unterhaltsreform steht der Kindesunterhalt minderjähriger Kinder gemäß § 1609 BGB an erster Rangstelle und ist damit allen anderen Unterhaltsansprüchen gegenüber vorrangig. Hieraus folgt, dass das Einkommen des Unterhaltspflichtigen, das seinen notwendigen Selbstunterhalt übersteigt, vollständig und vorrangig für den Kindesunterhalt zur Verfügung stehen muss. Dies gilt unabhängig vom Sinn und Zweck des Einkommensbestandteils oder der Steuervergünstigung. Denn das Gesetz sieht insoweit keine Einschränkungen vor.

Daher muss grundsätzlich auch der Splittingvorteil aus einer neuen Ehe vollständig für den Kindesunterhalt eingesetzt werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Splittingvorteil darauf beruht, dass der neue Ehegatte kein oder nur ein geringes Einkommen erzielt und deswegen meistens selbst unterhaltsbedürftig ist. Eine Einschränkung gilt allerdings, wenn der Unterhaltspflichtige und sein neuer Ehepartner die Steuerklassen III und V wählen. In diesem Fall verlagert sich - wegen der ungünstigeren Steuerklasse V - das Nettoeinkommen des weniger verdienenden Ehegatten auf den mehr verdienenden Unterhaltspflichtigen und muss auch der neue Ehegatte einen seinem Eigeneinkommen entsprechenden Anteil am Splittingvorteil behalten.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 18.09.2008; Quelle: BGH PM Nr.175 vom 17.09.2008

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