Themenbereiche

 

 

Nach der Unterhaltsrechtsreform: Länge der geschiedenen Ehe wirkt sich nicht immer auf den Unterhaltsanspruch aus

Geschiedene Eheleute stehen nach der Unterhaltsrechtsreform nur dann im gleichen zweiten Rang zu den neuen Ehepartnern, die ein Kind versorgen, wenn eine lange Ehedauer vorliegt. Dabei ist aber nicht allein auf die Dauer der Ehe abzustellen, sondern entscheidend darauf abzustellen, ob die unterhaltsberechtigte geschiedene Ehefrau ehebedingte Nachteile erlitten hat.

Der Sachverhalt:
Der 59-jährige Kläger und die 60-jährige Beklagte hatten 1978 geheiratet. Die Ehe blieb kinderlos. Nach Trennung im Mai 2002 wurde die Ehe im April 2005 rechtskräftig geschieden. Zuvor hatten die Parteien im Scheidungsverbundverfahren einen Vergleich geschlossen, in dem sich der Kläger verpflichtet hatte, an die Beklagte, die seit 1992 vollschichtig als Verkäuferin arbeitete und eigene Einkünfte von rund 1.175 Euro hatte, einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 600 Euro zu zahlen.

Der Kläger, der nach wie vor als Lehrer mit Bezügen nach der Besoldungsgruppe A 12 tätig ist, begehrte die Feststellung des Wegfalls seiner Unterhaltspflicht für die Zeit ab Oktober 2005 und Rückzahlung der seit Rechtshängigkeit des Verfahrens gezahlten Unterhaltsbeträge. Er begründete dies mit seiner erneuten Heirat im Oktober 2005 und der Geburt seiner Tochter im Dezember 2003.

Das AG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers setzte das OLG den Unterhalt der geschiedenen Ehefrau teilweise herab. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Für die Zeit vor Januar 2008 gilt weiterhin das alte Unterhaltsrecht, wonach die Ansprüche der ersten Ehefrau vorgehen. Für die Zeit danach geht aber der Anspruch der neuen Ehefrau vor, da sie ein kleines Kind versorgt.

Bedarfsbemessung:
Da sich der Unterhaltsbedarf einer geschiedenen und einer neuen Ehefrau gegenseitig beeinflussen, ist der jeweilige Bedarf aus einer Drittelung des vorhandenen Einkommens zu ermitteln. Ist nur ein unterhaltsberechtigter Ehegatte vorhanden, ergibt sich dessen Bedarf aus einer Halbteilung des vorhandenen Einkommens. Dem Halbteilungsgrundsatz kann aber nicht entnommen werden, dass dem Unterhaltspflichtigen stets und unabhängig von der Zahl der Unterhaltsberechtigten immer die Hälfte seines Einkommens verbleiben muss.

Nach der zum früheren Recht ergangenen Rechtsprechung musste der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau auf der Grundlage eines fiktiven und geringeren - weil nach der Grundtabelle zu versteuernden – Einkommens errechnet werden. Weil sich nunmehr der Unterhaltsbedarf der geschiedenen und der neuen Ehefrau wechselseitig beeinflussen, ist dieser Splittingvorteil weggefallen. Allerdings darf ein geschiedener Ehegatte nicht mehr Unterhalt erhalten, als ihm ohne Einbeziehung des Splittingvorteils zustünde, wenn er allein unterhaltsberechtigt wäre.

Rang der Unterhaltsansprüche:
Der Rang der Unterhaltsansprüche mehrerer Ehegatten war nach dem bis Ende 2007 geltenden Unterhaltsrecht vornehmlich durch den Prioritätsgedanken bestimmt. Danach musste sich ein neuer Ehegatte auf die schon bestehenden Unterhaltspflichten einrichten, so dass für die Unterhaltsansprüche bis Ende 2007 der Unterhaltsanspruch der Beklagten dem der neuen Ehefrau des Klägers vorging.

Für Unterhaltsansprüche ab Januar 2008 hat das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz allerdings eine neue Rangfolge festgelegt. Weil die neue Ehefrau des Beklagten das gemeinsame Kind betreut, das noch keine drei Jahre alt ist, ist sie zweitrangig unterhaltsberechtigt. Andere Ehegatten oder geschiedene Ehegatten stehen nur dann im gleichen zweiten Rang, wenn eine lange Ehedauer vorliegt. Dabei ist aber nicht allein auf die Dauer der Ehe, sondern entscheidend darauf abzustellen, ob die unterhaltsberechtigte geschiedene Ehefrau ehebedingte Nachteile erlitten hat.

Weil die Beklagte seit 1992 durchgehend vollschichtig berufstätig war und deswegen ehebedingte Nachteile nicht ersichtlich sind, ist ihr Unterhaltsanspruch für die Zeit ab Januar 2008 gegenüber dem der neuen Ehefrau nachrangig.

Linkhinweis:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht. 
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 01.08.2008, Quelle: BGH PM Nr. 150 vom 31.07.2008

Top-Titel

 

Rahm/Künkel
Handbuch des Familiengerichtsverfahrens
Loseblattwerk
mehr




Ehinger/Griesche/Rasch
Handbuch Unterhaltsrecht, 5. Auflage
Ansprüche – Berechnung – Strategien – Durchsetzung
mehr


Gratis 30-Tage-Test. Hier klicken




Der Familien-Rechts-Berater
Informationsdienst für die familienrechtliche Praxis

Jetzt ein kostenloses Probaabo bestellen.